Auf der Suche nach dem Begräbnisplatz von Graf Adolf von Nassau-Oranien
Dillenburg. Im Rahmen eines internationalen Projekts forschen Lammert Doedens (Historiker aus Groningen/Niederlande), Ralph Hennings (Theologe aus Oldenburg) und Dr. Birgit Großkopf (Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie der Georg-August-Universität Göttingen) zur letzten Ruhestätte von Graf Adolf von Nassau (1568-1648). Adolf von Nassau ist ein Bruder von Wilhelm von Oranien (1533-1584), der in Dillenburg geboren wurde und Stammvater des niederländischen Königshauses ist. Sein jüngerer Bruder Adolf starb während des Achtzigjährigen Krieges bei der Schlacht von Heiligerlee (Provinz Groningen/Niederlande).
Letzte Ruhestätte bisher unklar
Bis heute ist unklar, wo sich seine letzte Ruhestätte befindet. In der St.-Lamberti-Kirche in Oldenburg befindet sich ein sogenannter „Sammelsarg“, in dem zwei vollständige Skelette aufgefunden wurden. Anthropologische Untersuchungen der Universität Göttingen führten zu dem Ergebnis, dass beide Skelette vom Sterbealter und Geschlecht her Adolf von Nassau sein könnten. Von einem Skelett konnte eine DNA – Probe entnommen werden. Wie aber soll Adolf von Nassau nach seinem Tod in Heiligerlee nach Oldenburg gekommen sein? Lammert Doedens bezieht sich dabei auf die engen Bande, die nach der Hochzeit von Wilhelm von Oranien mit Anna von Sachsen 1561 zwischen dem Haus Oldenburg und dem Haus Nassau-Oranien bestanden. Wilhelm von Oranien wählte Graf Anton von Oldenburg als Paten für seinen Sohn Moritz. Belegt ist, dass Graf Anton von Oldenburg und Adolf von Nassau sich mehrfach persönlich begegneten. Im Feldzug 1568 fochten im Lager des Prinzen Ludwig von Nassau auch Oldenburger Truppen. Doedens hält folgendes Szenario für möglich: Nachdem Adolf auf dem Schlachtfeld verstarb, wurde er einbalsamiert und nach Wedde gebracht. Urkunden zufolge sollte er in einer nahegelegenen Stadt bestattet werden, damit der Leichnam nicht in Feindeshände gerät. Angesichts der sozialen Beziehungen zum Haus Oldenburg hält Doedens es für möglich, dass Adolf in Oldenburg beigesetzt wurde, nachdem er durch Forschungen bereits andere nahegelegene Städte als letzten Ruheort ausgeschlossen hat. Um aufzuklären, ob es sich bei dem Skelett in der St.-Lamberti-Kirche in Oldenburg tatsächlich um Adolf handelt, ist ein Vergleich der entnommenen DNA-Probe mit einem nahen, männlichen Verwandten erforderlich.
Vier direkte Nachkommen in der Stadtkirche Dillenburg
In der ev. Stadtkirche Dillenburg sind vier direkte Nachkommen des Grafen Johann VI., ebenfalls ein Bruder Wilhelm von Oraniens, in der Fürstengruft beigesetzt: Fürst Wilhelm von Nassau-Dillenburg (1670-1724), Herzogin Dorothea Johannette von Holstein-Plön (ϯ 1727), Erbprinz Heinrich August Wilhelm (1700-1718) und Prinzessin Elisabeth Charlotte (1703-1720). Das kirchliche Denkmalamt Darmstadt, die Evangelische Kirche Hessen-Nassau und der Kirchenvorstand der Ev. Kirchengemeinde Dillenburg genehmigten die Sargöffnung, die am Dienstag, 18. Februar 2020 stattfand. Das Öffnen des Sargs von Erbprinz Heinrich August Wilhelm erfolgte durch die Firma Wibbeke – Denkmalpflege GmbH unter Leitung von Dr. Birgit Großkopf, die Probenmaterial entnehmen konnte. An der Universität Göttingen werden nun die DNA-Untersuchungen durchgeführt. Mit einem Ergebnis ist im April 2020 zu rechnen. Wenn Graf Adolf von Nassau in Oldenburg tatsächlich beigesetzt sein sollte, ergeben sich dadurch eine Reihe von Fragen, aber auch Aufschlüsse zur politischen Geschichte Norddeutschlands und der westlichen Niederlande in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Das Beziehungsgeflecht zwischen Oldenburg und Ostfriesland würde in einem neuen Licht erscheinen. Die Politik des Grafen Anton I. gegenüber dem Reich und dem Haus Habsburg sowie seine Haltung gegenüber den Niederlanden dem Haus Nassau-Oranien wären neu zu bestimmen. Während der Arbeiten in der Fürstengruft war das Fotografieren und Filmen von Knochen aus Pietätgründen nicht gestattet. Im Anschluss an die Probenentnahme fand in der evangelischen Stadtkirche ein Pressetermin statt, zu dem Dr. Pfarrer Friedhelm Ackva eingeladen hatte und in der Lammert Doedens seine Forschungsarbeit vorstellte. Neben der heimischen Tagespresse fand sich auch ein Vertreter der verwandten Häuser Stolberg bzw. Solms-Braunfels sowie eine Mitarbeiterin des Weilburger Schlosses ein, die großes Interesse an den historischen Arbeiten und dem damit verbundenen möglichen Ergebnis zeigten.
Textauszüge aus: „Leben und Sterben des Grafen Adolf von Nassau“ von Lammert Doedens, erschienen im Sonderdruck „Oranien und Nassau in Europa“ von Rouven Pons, Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 2018