Ein spezieller Ort ist die Glashalle der Johann-von-Nassau-Schule in Dillenburg, in der am vergangenen Samstag (20.09.) ein besonderes Ereignis stattfand: Die Verleihung der Charlotte-Petersen-Medaille 2025 an Martina Stettner, die in bemerkenswerter Weise das Gedenken an jüdischem Leben in Haiger aufrecht hält.

Wie man in besonderer Weise das Gedenken an jüdischem Leben in Haiger aufrecht hält
Gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern hatte sich die Lehrerin für Religion und Geschichte an der Johann-Textor-Schule in Haiger auf Spurensuche über das Schicksal der Haigerer Juden begeben. Im Zuge des Projektes wurde die Broschüre „Das Schicksal der Haigerer Juden“ veröffentlicht, die von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dillenburg e.V. finanziert und überregional vertrieben wurde. Dementsprechend groß war die Freude bei Bürgermeister Michael Lotz, die bedeutendste Auszeichnung der Oranienstadt Dillenburg in diesem Jahr an Martina Stettner überreichen zu können.
Würdige Feierstunde
Würdig war die Feierstunde, die nach der Begrüßung der Gäste durch den Hausherrn, Schulleiter Peter Reeh, ergänzt durch ein Musikstück von J.S. Bach, gespielt von den in Dillenburg gut vernetzten Musikern Frank Schröter und Sergej Weigand, eröffnet wurde. Die beiden Saxophonisten spielten im Verlauf der Feierstunde noch zwei weitere Stücke, darunter John Lennons „Imagine“.

Um die Vorstellung, dass alle Menschen in Frieden leben können, insbesondere in einer Zeit, in der bei uns jüdisches Leben wieder in Frage gestellt wird, darauf verwies Stadtverordnetenvorsteher Klaus-Achim Wendel, begrüßte die anwesenden Gäste der Feierstunde, darunter Ronald Volk aus New Jersey, der Enkel einer Haigerer Jüdin ist. Bürgermeister Michael Lotz würdigte den Verdienst von Charlotte Petersen um die Mitmenschlichkeit.
“Leben der Familie besitzt wieder ein Gedächtnis”
Anschließend ging Ronald Volk in seiner, auf Englisch gehaltenen, Laudatio auf das Schicksal seiner Familie ein, dass ihn bis nach Haiger und Herborn geführt hatte. Aufmerksam auf sie sei er durch die Arbeit von Martina Stettner geworden. „Ich hatte zuvor überhaupt keine Vergangenheit, wusste nichts von meinen Großeltern. Jetzt besitzt das Leben meiner Familie wieder Gedächtnis“, so Volk. Jutta Simon übernahm dabei die Aufgabe, den Ansprachen auf Deutsch und Englisch jeweils die passende Übersetzung zu liefern.

Geschichte Lebendig halten
Die Geschichte lebendig halten, das ist die Intention, der seit 2011 alle zwei Jahre verliehenen Charlotte-Petersen-Medaille. Die Roderich-Feldes-Gesellschaft e.V., vertreten durch Albrecht Thielmann, sowie der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dillenburg e.V., vertreten durch die Vorsitzenden Martina Klement und Dr. Christoph Münz, hielten die geschichtliche Pionierarbeit von Martina Stettner und ihren damaligen Schülerinnen und Schülern der Klasse 10 für auszeichnungswürdig und schlugen Martina Stettner daher für die diesjährige Preisverleihung vor. Das sah auch das Auswahlgremium so.
Projektteilnehmer leisteten Detektivarbeit
Nach der feierlichen Überreichung der Charlotte-Petersen-Medaille durch Bürgermeister Michael Lotz an Martina Stettner, bedankte sich die Preisträgerin bei allen Personen, die an diesem Projekt mitgewirkt und dabei regelrechte Detektivarbeit geleistet haben und erklärte, von großer Dankbarkeit erfüllt, dass die Würdigung allen an diesem Projekt beteiligten Personen gleichermaßen gebührt. „Lassen Sie uns im Sinne von Charlotte Petersen weiterhin Erinnerungsarbeit leisten, um so gegen Hass und Ausgrenzung unsere Stimme zu erheben. Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Vergangenheit“, so Martina Stettner.

“Das werden wir nie vergessen”
Der ehemalige Schüler Nils Fladerer fand für seine ehemalige Lehrerin, die wie Dr. Christoph Münz betonte, stets für die Würde des Menschen eintritt, klare Worte: „Ich bedanke mich bei meiner Lehrerin für den Mut und die Leidenschaft, unser Leben geprägt zu haben. Das werden wir nie vergessen.“
Stolpersteine
Zuletzt initiierte Martina Stettner mit der Kommune die Verlegung der „Stolpersteine“ in Haiger und gestaltete mit Schülern ihrer jetzigen Klasse und einigen anderen Helfern das Programm bei der Verlegung.
„Für Verdienste um die Verständigung zwischen den Menschen“
„Für Verdienste um die Verständigung zwischen den Menschen“ – diese Inschrift trägt die Charlotte-Petersen-Medaille, die seit dem Jahr 2001 alle zwei Jahre an Personen verliehen wird, die sich im Sinne der Namensgeberin besonders engagiert haben. Die Journalistin Charlotte Petersen, eine der größten Persönlichkeiten Dillenburgs, hatte zusammen mit Hilda Heinemann, der Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, im Jahre 1959 das Hilfswerk Wapniarka gegründet. Die Dillenburgerin war unermüdlich dafür tätig, Spenden für die Überlebenden dieses Konzentrationslagers zu sammeln. Zur Erinnerung an Charlotte Petersen und in Würdigung ihres Lebenswerkes stimmte die Oranienstadt Dillenburg auf Anregung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dillenburg e.V., deren Gründungsmitglied sie war, der Stiftung einer Charlotte-Petersen-Medaille zu.


