Charlotte-Petersen-Medaille für Christoph Heubner

Hinweis auf die Verleihung der Charlotte-Petersen-Medaille an Christoph Heubner. Mit Klick aufs Bild gehts zum ganzen Artikel

Christoph Heubner ist der diesjährige Preisträger der Charlotte-Petersen-Medaille. Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Ausschwitz-Komitees erhielt die hohe Auszeichnung der Oranienstadt Dillenburg im Gemeindehaus der Evangelischen Kirchengemeinde am Zwingel. An der Preisverleihung nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus der Dillenburger Politik, von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dillenburg e.V,. ein ehemaliger Preisträger, Mitglieder des Auswahlgremiums, Vertreter und Vertreterinnen von der Evangelischen und Katholischen Kirchengemeinde Dillenburg sowie einige Gäste teil. Die würdige Eröffnung übernahm Stadtverordnetenvorsteher Klaus-Achim Wendel, der auch durch den Festakt führte.

Foto (Oranienstadt Dillenburg), von li nach re: Laudator Prof. Dr. Sascha Feuchert, Bürgermeister Michael lotz, Preisträger Christoph Heubner und Stadtverordnetenvorsteher Klaus-Achim Wendel bei der Preisverleihung im ev. Gemeindehaus am Zwingel
Foto (Oranienstadt Dillenburg), von li nach re: Laudator Prof. Dr. Sascha Feuchert, Bürgermeister Michael lotz, Preisträger Christoph Heubner und Stadtverordnetenvorsteher Klaus-Achim Wendel bei der Preisverleihung im ev. Gemeindehaus am Zwingel

“Für Verdienste um die Verständigung zwischen den Menschen”

„Für Verdienste um die Verständigung zwischen den Menschen“ – diese Inschrift trägt die Charlotte-Petersen-Medaille, die seit dem Jahr 2001 alle zwei Jahre an Personen verliehen wird, die sich im Sinne der Namensgeberin besonders engagiert haben. Wie Bürgermeister Michael Lotz berichtete, hatte Charlotte Petersen, eine der größten Persönlichkeiten Dillenburgs, zusammen mit Hilda Heinemann, der Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, im Jahre 1959 das Hilfswerk Wapniarka gegründet. Dieser Name geht zurück auf das 1942 in Südrussland für rumänische, bulgarische und baltische Juden errichtete KZ „Wapniarka“.

Charlotte Petersen

Dillenburgs Ehrenbürgerin und Namensgeberin des Preises: die Journalistin Charlotte Petersen (Quelle Stadtarchiv Dillenburg)
Dillenburgs Ehrenbürgerin und Namensgeberin des Preises: die Journalistin Charlotte Petersen (Quelle Stadtarchiv Dillenburg)

Die Dillenburger Journalistin sei unermüdlich dafür tätig gewesen, Spenden für die Überlebenden dieses Konzentrationslagers aufzutreiben. „Zur Erinnerung an Frau Petersen und in Würdigung ihres Lebenswerkes stimmte die Oranienstadt Dillenburg auf Anregung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dillenburg e.V., deren Gründungsmitglied sie war, der Stiftung einer Charlotte-Petersen-Medaille zu“, so das Stadtoberhaupt. 1994 verstarb die Ehrenbürgerin Dillenburgs im Alter von 90 Jahren. Bürgermeister Michael Lotz bedauerte die bedrückende Aktualität des Themas, angesichts eines Überfalls von Russland auf die „Nazi“-Ukraine und den Nahost-Konflikt. „Die Zunahme an antisemitischen Tönen in unserem Land und auf der ganzen Welt sind eine Tragödie, sie machen uns fassungslos“, so das Stadtoberhaupt. Aber er betonte auch, dass Rassismus und Intoleranz in der Oranienstadt keinerlei Platz haben könne.

Christoph Heubner

In diesem Jahr entschieden sich die städtischen Gremien für die Verleihung der Charlotte-Petersen-Medaille an Christoph Heubner, der von den Vorstandsmitgliedern der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dillenburg e.V. vorgeschlagen wurde. Dieser wurde 1949 als Sohn eines Pfarrers im hessischen Niederaula geboren. Er besuchte das Marburger Gymnasium und verweigerte nach dem Abitur den Kriegsdienst. Stattdessen leistete er den Friedensdienst im Rahmen der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Oxfort (England) in einem Obdachlosenasyl und betreute später die ersten Gruppen der Aktion Sühnezeichen in der KZ-Gedenkstätte Stutthof bei Danzig/Polen. Es folgten ein Studium der Geschichte, Germanistik und Politik in Marburg und Kassel. Von 1980 bis 1986 beteiligte er sich an dem Bau der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz und engagierte sich seit 1985 im Internationalen Auschwitz-Komitee. Darüberhinaus begleitet Heubner seit mehr als dreißig Jahren Auszubildende der Volkswagen AG und polnische Berufsschüler während der Ausbildung auf einen 14tägigen Arbeits- und Seminaraufenthalt in der Gedenkstätte Auschwitz. Zum 70. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau organisierte er 2015 eine große Gedenkfeier, an der neben der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auch Auschwitz-Überlebende sprachen. So setzt er sich seit Jugendzeiten dafür ein, die Erinnerung an die Lebens- und Leidensgeschichten der Opfer des Nationalsozialismus zu bewahren und den Überlebenden eine würdevolle Existenz zu ermöglichen.

Laudatio von Prof. Dr. Sascha Feuchert

Die sehr gelungene Laudatio auf den Preisträger hielt Prof. Dr. Sascha Feuchert, Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Laudator beschrieb Heubner treffend

In seiner fesselnden Rede nahm Feuchert eingangs Bezug auf die aktuelle Situation und die Zunahme des Antisemitismus: „Wie viel Zeit ist vergangen, wenn in diesen Tagen die Wohnungen jüdischer Menschen in Deutschland markiert und Restaurants, die angeblich jüdische Besitzer haben, bespuckt werden?“ Diese und ähnliche Fragen trieben Heubner um und er werde dabei gehört, wenn er sie laut stelle. Der Berliner habe den deutschen Erinnerungsdiskurs wie kein zweiter in den letzten Jahrzehnten geprägt. Seine heutige Position im öffentlichen Erinnerungsdiskurs käme dabei nicht von ungefähr: Früh schon habe er sich der Aktion „Sühnezeichen Friedensdienste“ angeschlossen und u.a. die ersten Gruppen in der Gedenkstätte Stutthoff betreut.

Focus: Auschwitz

„Doch sein Fokus wurde schon bald das größte Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazi-Diktatur: Auschwitz.“, verwies Feuchert auf die Schwerpunkte von Heubners Arbeit. Er, der nicht zu den Überlebenden von Auschwitz gehöre, wisse bis heute wie kaum ein anderer, diesen Ort zum Sprechen zu bringen, auch für jene, die anfangs vielleicht gar nicht zuhören wollen. „Doch Christoph Heubner ist nicht nur über die Aktion Sühnezeichen und die Internationale Jugendbegegnungsstätte mit der Gedenkstätte Auschwitz und den Überlebenden verbunden, in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit ist er natürlich vor allem als Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees bekannt. In dieser Funktion bringt er mit großem Nachdruck die Perspektive der Überlebenden in die öffentlichen Debatten ein, vorwiegend natürlich wenn es um das historische Erbe, den Erinnerungsdiskurs und um Antisemitismus und Rassismus geht – aber eben nicht nur“, berichtete der Laudator über den würdigen Preisträger.

Kundiger Sachbuchautor und veritabler Lyriker

Dieser sei aber auch erfolgreicher Herausgeber, kundiger Sachbuchautor, ein veritabler Lyriker und ein begnadeter Erzähler. In den letzten vier Jahren habe er seine Trilogie vorgelegt, die mit zum Besten gehört, was die Holocaustliteratur in den letzten Jahren hervorgebracht habe. Feuchert schloss seine Ansprache: „Wir ehren heute mit Christoph Heubner einen Menschen, der hoch engagiert und doch oft gelassen, nicht selten wütend auf die deutsche Gesellschaft und doch stets bereit zum Dialog ist, der auf so unterschiedliche Weise Opfern eine Stimme gibt und uns vor Augen führt, welche katastrophalen Folgen das Vergessen hätte und zum Teil schon hat.“

“Die Wahrheit ist nicht verhandelbar

Aus den Händen von Bürgermeister Michael Lotz erhielt Christoph Heubner dann die Charlotte-Petersen-Medaille 2023. Der Geehrte bedankte sich sehr herzlich für die hohe Auszeichnung und zeigte sich gerührt. „Ich habe großen Respekt vor dem Wirken von Charlotte Petersen und fühle mich geehrt, diese Medaille zu erhalten. „Die Wahrheit ist nicht verhandelbar. Ich freue mich sehr, dass Dillenburg diesen Preis vergibt, der mich in meinem Wirken bestärkt – auf einem Weg, der nicht zu Ende ist, denn Einmischung ist nötig!“, schloss er seine emotionale Dankesrede. Musikalisch wertig umrahmt wurde die Veranstaltung durch den Ulrich Kögel am Klavier.

Verleihung der Charlotte-Petersen-Medaille

Charlotte-Petersen-Medaille. Mit einem Klick gehts zur Veranstaltung "Verleihung der Charlotte-Petersen-Medaille an Christoph Heubner".

Bis zum 30.06.2021 können erneut Vorschläge für die Verleihung der Charlotte-Petersen-Medaille gemacht werden. Diese verleihen wir seit dem Jahr 2001 an Personen, die sich im Sinne der Namensgeberin besonders engagiert haben.

Die Journalistin Charlotte Petersen, eine der größten Persönlichkeiten Dillenburgs, hatte zusammen mit Hilda Heinemann, der Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, im Jahre 1959 das Hilfswerk Wapniarka gegründet. Dieser Name geht zurück auf das 1942 in Südrussland für rumänische, bulgarische und baltische Juden errichtete KZ „Wapniarka“. Eine Wiedergutmachung in Form einer Rente wurde den KZ-Opfern nicht gewährt; lediglich eine einmalige Abfindung von damals 5000,– DM wurde an die Überlebenden gezahlt. Charlotte Petersens Motiv für die Gründung des Hilfswerks war, wie sie einmal sagte, “ … ein klein wenig von der Schuld der Deutschen abzutragen“. So war die Dillenburger Journalistin unermüdlich dafür tätig, Spendengelder für die überlebenden KZ-Opfer aufzutreiben. Im Laufe der Jahre sammelte sie Millionenbeträge ein.

Der praktizierenden Christin, die sich beispielhaft für die Versöhnung zwischen Juden und Christen über alle Grenzen hinweg einsetzte, wurden zahlreiche Auszeichnungen verliehen: Das „Bundesverdienstkreuz Erster Klasse“ (1967), die „Wilhelm-Leuschner-Medaille“ und der „Gustav-Heinemann-Bürgerpreis“ (beide 1989) bis hin zur „Buber-Rosenzweig-Medaille“ (1990). Im Jahre 1986 wurden Charlotte Petersen die Ehrenbürgerrechte der Stadt Dillenburg verliehen. Um das Lebenswerk von Frau Petersen anzuerkennen und zu würdigen, vergeben wir alle zwei Jahre die Charlotte-Petersen-Medaille.

Träger dieser Auszeichnung wurde erstmals im Jahr 2001 Prof. Dr. Martin Stöhr, Theologe und langjähriger Präsident des Internationalen Rates der Christen und Juden, für seine Verdienste um den christlich-jüdischen Dialog. Im Jahr 2003 wurde die „Charlotte-Petersen-Medaille“ an Dr. Thea Altaras, die sich für die Erhaltung der Synagogen in Hessen eingesetzt hat, verliehen. 2005 erhielt Ursula Vollmer, Gründerin des Vereins Aguablanca, die Charlotte-Petersen-Medaille. Vierter Träger der Auszeichnung ist Eckhard Scheld, Studiendirektor an der Wilhelm-von-Oranien-Schule, der 2007 für sein Engagement für die Völkerverständigung zwischen Deutschland und den osteuropäischen Staaten geehrte wurde. Preisträger in 2009 wurde Landesrabbiner Dr. Henry G. Brandt aus Augsburg für seine Verdienste um die Verständigung zwischen Christen und Juden. Für ihren Einsatz in Erforschung und Weitergabe der Geschichte der Juden und jüdischen Gemeinden in Hessen erhielt Monica Kingreen, Diplom-Pädagogin und Mitarbeiterin des Fritz-Bauer-Instituts, im Jahr 2011 die Medaille. 2013 wurde Hartmut Schmidt aus Frankfurt für sein vorbildliches Engagement für eine lebendige Erinnerungs- und Gedenkkultur in Deutschland ausgezeichnet. In Anerkennung seines Engagements und Wirkens im Sinne von Charlotte Petersen erhielt Klaus Peter Mücke, evangelischer Pfarrer im Ruhestand aus Dillenburg, im Jahr 2016 die Auszeichnung, die zuletzt in 2019 an Gerhard Zimmermann, Dekan im Ruhestand aus Bad Soden, ging. Zimmermann hatte Charlotte Petersens Biografie und ihr Lebenswerk in seinem Buch „Die größte Bettlerin des Jahrhunderts. Charlotte Petersen und ihr Kampf für die Überlebenden des KZ-Wapniarka“  gewürdigt.

Jeder kann Personen für die Ehrung vorschlagen, die im Sinne von Charlotte Petersen gewirkt haben. Die Vorschläge sollen begründet sein und können bis zum

30. Juni 2021

beim Magistrat der Oranienstadt Dillenburg, Rathausstr. 7, 35683 Dillenburg, eingereicht werden.

Die eingegangenen Vorschläge gibt der Magistrat an ein Auswahlgremium weiter, das die Vorschläge prüft und berät. Der Magistrat beschließt nach Anhörung des Ausschusses für Jugend, Soziales, Sport und Kultur über die Verleihung, die dann im Jahr 2021 stattfinden wird.

Verleihung der Charlotte-Petersen-Medaille

Ehrung von Gerhard Zimmermann durch die Oranienstadt Dillenburg

Gerhard Zimmermann aus Bad Soden am Taunus ist der diesjährige Preisträger der Charlotte-Petersen-Medaille. Der Dekan im Ruhestand erhielt die hohe Auszeichnung der Oranienstadt Dillenburg aus den Händen von Bürgermeister Michael Lotz im ehemaligen Wohnhaus von Charlotte Petersen in Dillenburg, das heute Treffpunkt der Adventgemeinde ist. An der öffentlichen Preisverleihung nahmen Vertreter aus der Dillenburger Politik, von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dillenburg e.V., sowie von der Evangelischen Kirchengemeinde und Katholischen Kirchengemeinde teil. Ein Preisträger der Vorjahre, Eckhard Scheld, war ebenfalls bei der Zeremonie anwesend.

„Für Verdienste um die Verständigung zwischen den Menschen“

„Für Verdienste um die Verständigung zwischen den Menschen“ – diese Inschrift trägt die Charlotte-Petersen-Medaille, die seit dem Jahr 2001 alle zwei Jahre an Personen verliehen wird, die sich im Sinne der Namensgeberin besonders engagiert haben. Wie Michael Lotz berichtete, hatte Charlotte Petersen, eine der größten Persönlichkeiten Dillenburgs, zusammen mit Hilda Heinemann, der Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, im Jahre 1959 das Hilfswerk Wapniarka gegründet. Die Dillenburger Journalistin sei unermüdlich dafür tätig gewesen, Spenden für die Überlebenden dieses Konzentrationslagers aufzutreiben. „Zur Erinnerung an Frau Petersen und in Würdigung ihres Lebenswerkes stimmte die Stadt Dillenburg auf Anregung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dillenburg, deren Gründungsmitglied sie war, der Stiftung einer Charlotte-Petersen-Medaille zu“, so das Stadtoberhaupt. Die Ehrung soll möglichst am Geburtstag von Charlotte Petersen, dem 11. Juni, erfolgen. 1994 verstarb die Ehrenbürgerin Dillenburgs im Alter von 90 Jahren.

In diesem Jahr entschieden sich die städtischen Gremien für die Verleihung der Charlotte-Petersen-Medaille an den Dekan im Ruhestand Gerhard Zimmermann, der von Christoph Dasbach aus Wilnsdorf vorgeschlagen wurde. Die Laudatio hielt der Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische-Zusammenarbeit e. V. Dillenburg, Dr. Christoph Münz. Gerhard Zimmermann war von 1960 Gemeindepfarrer in Rennerod/Westerwald und von 1978 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Dekan des Evangelischen Dekanats Bad Marienberg. Mit Charlotte Petersen verband ihn seit 1958 ein beruflicher Kontakt. Er ist Autor und Mitherausgeber zahlreicher Bücher und Zeitschriftenbeiträge. Heute lebt der 89jährige in Bad Soden am Taunus.

Laudator beschrieb Zimmermann treffend

Dr. Christoph Münz berichtete in seiner Laudatio über das Kennenlernen von Charlotte Petersen 1986, als er als Haigerer ein Chorkonzert in Dillenburg besucht habe. Schon damals habe ihn die Journalistin der Dill-Post beeindruckt. Umso mehr habe er sich gefreut, als er sie 1988 als neues Vorstandsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit e. V. habe begrüßen dürfen.

“Groß, aufrichtig und von beeindruckend klarem Geist”

Sie bleibe ihm immer als „groß, aufrichtig und von beeindruckend klarem Geist in Erinnerung“. Über die Initiierung einer Charlotte-Petersen-Medaille der Oranienstadt Dillenburg im Jahr 2001 – also sieben Jahre nach ihrem Tod – habe er sich sehr gefreut. Vor fünf Jahren habe dann Gerhard Zimmermann mit ihm Kontakt aufgenommen, der sich unbedingt mit ihm habe treffen wollen. Der Grund: Zimmermann beabsichtigte, über Charlotte Petersen ein Buch zu schreiben. Ehrlicherweise sei er zunächst skeptisch gewesen: „Als Historiker und Germanist, der noch dazu selbst als Übersetzer und Journalist sein täglich Brot verdiente, standen mir die Herausforderungen deutlich vor Augen, die eine biografische Arbeit immer mit sich bringen“, so Münz. Aber schon das Lesen der ersten, in flüssiger und klarer Sprache geschriebenen Manuskriptseiten habe ihn schnell überzeugt.

Auch das Zusammentreffen sei ihm deutlich in Erinnerung geblieben: „Ich lernte eine Persönlichkeit kennen, die völlig uneitel, gänzlich von sich selbst absehend, einzig von der Person Charlotte Petersens zutiefst bewegt war, eine Persönlichkeit, die es als ihre Mission begriff, dem Leben und Werk von Charlotte Petersen ein bleibendes Denkmal zu setzen.“ Mehr als gerne habe er das Buchprojekt begleitet und unterstützt, das letztlich den Titel „Die größte Bettlerin des Jahrhunderts – Charlotte Petersen und ihr Kampf für die Überlebenden des KZ Wapniarka“ erhielt. Lektoriert und editiert wurde es vom Dillenburger Albrecht Thielmann, in dessen Verlag das Werk in 2014 erschien und in einer feierlichen Stunde im Sitzungssaal des Rathauses der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Cover der Biografie von Gerhard-Zimmermann
Cover der Biografie von Gerhard-Zimmermann

Dr. Christoph Münz betonte abschließend, „dass jeder, der Charlotte Petersen anhand ihrer Biografie kennenlernt, leicht einsehe, dass die Vergangenheit kein ‚Vogelschiss‘ sei, sondern eine bleibende Herausforderung, mit der es sich auseinanderzusetzen gelte, dass die Versöhnung zwischen Christen und Juden nach fast zweitausendjähriger christlicher Judenfeindschaft und 70 Jahre nach dem Holocaust immer noch am Anfang stehe und dass ohne den Einsatz für die Verständigung zwischen den Religionen insgesamt nur der Weg in die Barbarei bleibt. Für all dies steht Charlotte Petersen, das sind ihre Botschaften, das macht ihr Vorbild aus, was mit der Biografie von Gerhard Zimmermann zu einem bleibenden und jederzeit zugänglichen Vermächtnis geworden ist“. 

Facettenreiches Buch über engagierte Bürgerin

In seinem Buch schildert der Autor von prägenden Erlebnissen Charlotte Petersens in Dillenburg, von ihrem Kontakt zu dem jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber, ihrer journalistischen Arbeit für die Dill-Post sowie ihrem Engagement als Gründungsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dillenburg. Ein Exkurs von Albrecht Thielmann in das Dillenburg von 1933 zeigt zudem anhand aussagekräftiger Fotos die nationalistische Aufbruchsstimmung in Dillenburg, mit der Charlotte Petersen als junge Frau und bekennende Christin einst konfrontiert war. Ergänzt wird das Werk durch beeindruckende, anekdotische Erinnerungen an Charlotte Petersen von ihren ehemaligen Journalisten-Kollegen der Dill-Post. Auf diese Weise gelingt es dem facettenreichen Buch, das Profil einer engagierten Bürgerin und Tochter aus gutem Hause zu zeichnen, die mit viel Zivilcourage ein Stück Verantwortung gegenüber der deutschen Geschichte auf sich nahm und die durch ihre journalistische Arbeit und ihr ehrenamtliches Engagement zu einem prägenden Teil der Dillenburger Stadtgeschichte geworden ist.

Demokratische Strukturen im Fluss

Aus den Händen von Bürgermeister Michael Lotz erhielt Gerhard Zimmermann beim offiziellen Festakt dann die Charlotte-Petersen-Medaille 2019. Das Stadtoberhaupt hatte schon in seiner Begrüßungsrede darauf aufmerksam gemacht, dass die Bedeutung der Medaille aktuell so wichtig sei, wie selten zuvor. Viele demokratische Strukturen seien derzeit im Fluss und rechtsextremistische Kräfte am Werk: „Deswegen sind wir alle aufgefordert, diesen Kräften entgegenzuwirken“. Der Geehrte bedankte sich sehr herzlich für die hohe Auszeichnung. Eine kurze Buchlesung durch ihn schloss den Festakt ab. Zimmermann: „Ich bin sehr glücklich, dass ich heute, an Charlotte Petersens 115. Geburtstag, hier sein darf und weitergeben kann, wie sehr sie sich für bedürftige Menschen eingesetzt hat“. Musikalisch wertig umrahmt wurde die Veranstaltung durch den Musiklehrer der Wilhelm-von-Oranien-Schule Ulrich Kögel am Flügel mit Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy, Ludwig van Beethoven und Franz Schubert.