Eibacher Rückhaltebecken ist fertig

Das Regenrückhaltebecken in Eibach

Dillenburg. Sonntag, 17. September 2006 – am späten Nachmittag und in den frühen Abendstunden löst eine Starkregenzelle, die sich im oberen Dillgebiet für mehrere Stunden festgesetzt hat, eine Hochwasserwelle bisher nicht gekannten Ausmaßes aus. Die Sturzfluten, bis zu 160 Liter in der Stunde auf den Quadratmeter, lassen Bäche wie die „Irrschelde“ oder den „Eibach“ über die Ufer treten, und richten verheerende Schäden in der Kernstadt und in umliegenden Dörfern an.

Millionen-Investitionen in nachhaltigen Hochwasserschutz

15 Jahre nach dieser Katastrophe ist das zweite von von vier im Stadtgebiet geplanten Hochwasserrückhaltebecken (HRB) fertig. Das Bauwerk oberhalb der Eibacher Ortslage kann 12.000m³ Wasser zurückhalten – das entspricht einem Volumen von 60.000 Badewannen. Die Oranienstadt investierte hier rund 2,9 Millionen Euro; das Projekt wird vom Land Hessen mit knapp 80 Prozent bezuschusst.   

Im Vorfeld der Arbeiten mussten Kanäle verlegt und ein Bypass im Bereich des Brandweihers gelegt werden. Nach 2,5 Jahren Bauzeit fügt sich die Anlage nun trotz einer Dammbreite von 4,5 Metern und einer Höhe von sieben Metern gut in die umliegende, sensible Landschaft ein. Insgesamt spielte die Ökologieverträglichkeit eine große Rolle, denn sogar Bachflohkrebse und Köcherfliegenlarven sind im idyllischen Eibach zu finden. Für die Kontrollen sind städtische Beckenwarte zuständig. Sie kontrollieren mindestens einmal wöchentlich vor Ort, ob alles in Ordnung ist und beobachten die Anlage außerdem über eine App auf dem Smartphone bzw. am PC. Die Eibacher Anlage hat Vorbildfunktion in der Region: schon andere Zweckverbände, die ebenfalls aktiven Hochwasserschutz planen, haben Besichtigungen angekündigt.

Trotz der Größe fügt sich das neue Hochwasserrückhaltebecken gut in die umliegende Landschaft in Eibach ein (Foto: Oranienstadt Dillenburg)

Moderne Technik im Einsatz

Modernste Mess- und Steuertechnik wird in den vier Hochwasserrückhaltebecken die Arbeit übernehmen und nach heftigen Regenfällen „eingreifen“. Das bedeutet: Nach Inbetriebnahme wird in den Anlagen der Abfluss des Wassers vollautomatisch gesteuert. Tritt Hochwasser ein, fangen die Schieber im Dammbauwerk die Welle ab. Aufgestaut werden die Fluten, bis das Becken voll ist. Danach setzt ein Programm ein, das ein Überfluten des Bauwerkes verhindert. Dabei dosiert die Technik über die Stellung der Schieber automatisch den Durchlass und verhindert damit, dass das Gewässer im Unterlauf über die Ufer tritt und Schäden anrichtet. Bei Internet- oder Stromausfall ist selbstverständlich eine manuelle Steuerung möglich.

Die Oranienstadt geht davon aus, dass im Herbst 2022 mit dem Bau der dritten Anlage begonnen werden kann, die oberhalb der Oberschelder Ortslage auf Eibacher Gemarkung entsteht. Das vierte und letzte Rückhaltebecken baut die Oranienstadt in Niederscheld -voraussichtlich ab 2023. Beide liegen in FFH-Gebieten und erforderten noch umfangreichere naturschutzrechtliche Überprüfungen, wie die bereits fertiggestellten Becken. Für alle vier Hochwasserrückhaltebecken investiert die Oranienstadt über 12 Mio. Euro und erhält vom Land Hessen einen Zuschuss von bis zu 80 %. Auch der südliche Dillkreis profitiert vom Hochwasserschutz im Dillenburger Stadtgebiet.

Starker Schutz bei 100jährigen Ereignissen

Die Wassermengen, die im September 2006 innerhalb von sechs Stunden niederprasseln, entsprechen, nach Einschätzung von Experten, einem 1000-jährigen Regenereignis. Solche Fluten komplett aufzuhalten, dafür sind die vier Rückhaltebecken nicht ausgelegt. Dann müssten riesige Bauwerke in die Landschaft gestellt werden, die weder genehmigt würden, noch finanzierbar sind. „Schäden, die durch ein 1000-jähriges Hochwasser entstehen, können wir nicht komplett verhindern, aber stark eindämmen. Immerhin, mit den vier Becken lässt sich die Spitze einer Hochwasserwelle kappen“, sagt Dillenburgs Bürgermeister Michael Lotz bei einem Besuch der Anlage in Eibach, bei dem er sich jetzt Technik und Funktionsweise von Jörg Menges und Rainer Nies vom Bauressort demonstrieren ließ.

Bürgermeister Michael Lotz (rechts) lässt sich von Reiner Nies (links) und Jörg Menges (Mitte) Technik und Funktionsweise neuen Anlage in Eibach demonstrieren (Foto: Oranienstadt Dillenburg)

Starkregen besser ableiten

Unabhängig von den Baumaßnahmen für die vier Hochwasserrückhaltebecken hat die Oranienstadt schon etliche kurz- und mittelfristige Maßnahmen aus dem Hochwasserschutzkonzept umgesetzt. Das sind beispielsweise die Auswechslung hochwassergefährdeter Schachtabdeckungen, die Erhöhung des Dammes am Einlaufbauwerk „Irrschelde“, die Einrichtung von verschiedenen Vorrechen mittels Holzpfählen, die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Einlaufbauwerke an der „Irrschelde“ und dem „Höhlbach“, die Erneuerung des Scheldedurchlasses „Herrnberg“ oder der Rückbau einer Verrohrung unterhalb des Nanzenbachs. Auch die Erweiterung der Manderbach-Verrohrung für drei Millionen Euro verbesserte die Möglichkeit, Starkregen besser ableiten zu können. Für den Bereich Dietzhölze wurde ebenfalls ein Hochwasserschutzkonzept erarbeitet. Danach wurde beispielsweise das Einlaufbauwerk „Hundsbach“ verbessert. Außerdem ist geplant, die Gewässerstruktur durch Rückbau von Wehren und Schaffung von Retentionsraum zu optimieren. Der Nanzenbach wurde in Teilbereichen bereits renaturiert, für den Nanzenbach und den Donsbach sind Hochwasserschutzkonzepte in Vorbereitung.

Regelmäßige Überprüfung

Alle Gewässer und Einlaufbauwerke im Stadtgebiet werden regelmäßig auf hängengebliebenes Geäst oder Müll überprüft. Die Mitarbeiter der Stadtwerke räumen den Unrat aus und schneiden angrenzende Bäume und Sträucher zurück. Aus den betroffenen Gewässern wie Dill, Dietzhölze oder Schelde wird Kies geräumt, um den Durchfluss zu gewährleisten. Hochwasserdämme, die sich im Laufe der Zeit setzen können, werden wieder auf ihre ursprüngliche Höhe gebracht. In einigen Gewässern sind sogenannte „Grobrechen“ angebracht – ins Flussbett eingeschlagene Holzpflöcke halten hier angeschwemmtes Material zurück wie beispielsweise oberhalb der Oberschelder Ortslage. All diese einzelnen Maßnahmen werden von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, da sie oft abseits von Feld- und Wanderwegen außerhalb der Ortslagen stattfinden und doch unerlässlich wichtig für eine funktionierende Gewässerunterhaltung sind. Die jährlichen Kosten liegen dabei über 100.000 Euro. Diese aufwändigen Maßnahmen verdeutlichen, dass die Oranienstadt Dillenburg die Sorgen und Nöte ihrer Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt und ihr ein effektiver Hochwasserschutz sehr wichtig ist.