Dillenburgs Wahrzeichen einmal „unter die Lupe genommen“

Ein Bild der Referenten am Wilhelmsturm. Das Bild dient auch als Navigationselement und führt zum ganzen Artikel
Einige der Referenten am Wilhelmsturm
Einige Referenten und Moderatoren der Tagung trafen sich zum Gruppenfoto unter dem Wilhelmsturm (von links nach rechts): Dr. Wolfgang Albert, Simon Dietrich, Marcel Manderbach, Prof. Lotte Jensen, Dr. Malena Rotter, Dr. Lutz Vogel, Holger Th. Gräf, Prof. Dr. Ulrich Ritzerfeld, Dr. Hartmut Heinemann, Dr. Daniel Groth, Dr. Brigitte Streich und Dr. Andreas Martin (Foto: Oranienstadt Dillenburg)

Er ist das Dillenburger Wahrzeichen und feiert 2025 seinen 150. Geburtstag: der Wilhelmsturm. Eingeweiht wurde das 40 Meter hohe Bauwerk auf dem Schlossberg am 29. Juni 1875. Aus Anlass des Jubiläums veranstaltete die Stadt Dillenburg eine zweitägige Tagung mit 13 Historikerinnen und Historikern aus Deutschland und den Niederlanden, die in ihren interessanten Vorträgen das Denkmal unter verschiedenen Aspekten in seine Zeit einordneten und Vergleiche anstellten. 

13 Vorträge beschäftigen sich mit der Geschichte rund um den Wilhelmsturm

Eingeteilt war das Tagungsprogramm in verschiedene Blöcke. Die erste Sektion stand unter dem Motto „Dillenburg – Von der nassauischen Residenz zum Erinnerungsort Wilhelmsturm“. Um die Motive hinter dem Dillenburger Denkmalprojekt einordnen zu können, widmet sich die zweite Tagungssektion dem Thema „Oranierrezeption bis ins 19. Jahrhundert.“ Teil drei hatte den Titel: „Der Wilhelmsturm im Vergleich zu anderen Denkmälern der Zeit“. Abschließend ging es um das Thema „Nutzung, Tourismus und Rezeption des Wilhelmsturms“.

Nach Grußworten von Gerhard Anders, Erster Stadtrat, Peter Patzwaldt, Vorsitzender des Dillenburger Geschichts- und Museumsvereins, sowie Prof. Dr. Holger Th. Gräf vom Hessischen Institut für Landesgeschichte in Marburg führte Dillenburgs Stadthistoriker Simon Dietrich zunächst in das Thema ein, erläuterte die Tagungsziele und skizzierte die Forschungslücken, die es in Bezug auf den Wilhelmsturm nach wie vor gebe.

Einblick in das Leben auf der Burg um 1500

Simon Dietrich und Peter Patzwaldt mit Referenten der Tagung am Schlossmodell.
Am Schlossmodell erläuterten Dillenburgs Stadthistoriker und Tagungsleiter Simon Dietrich (Mitte, mit Namensschild) und der Vorsitzende der beiden historischen Vereine in Dillenburg Peter Patzwaldt (rechts neben Simon Dietrich) die Dimension der ehemaligen Anlage (Foto: Oranienstadt Dillenburg)

Im ersten Vortrag beschäftigte sich Dr. Brigitte Streich mit dem Thema „Das Dillenburger Schloss als nassauische Residenz und seine Zerstörung 1760.“ Die Wiesbadenerin gab unter anderem einen lebendigen Einblick in das Leben auf der Burg um 1500. Das Ende der Festung folgte im Siebenjährigen Krieg. Die Franzosen schossen es im Juli 1760 in Brand. Seit 1763 sei das zerstörte und geschleifte Gemäuer weiter abgebrochen worden.     

Vom leeren Schlossberg zum Wilhelmsturm

Stadthistoriker Simon Dietrich stellte seine Erkenntnisse zum Thema „Vom leeren Schlossberg zum Wilhelmsturm: Idee, Initiatoren, Bau und lokaler Kontext des Oranierdenkmals (1865-1875)“ vor. Der Schlossberg, insbesondere die Wilhelmslinde, sei nach der Zerstörung der Festung nie aus dem Bewusstsein der Dillenburger gerückt. Erste Maßnahmen zur Erhaltung der Ruine habe es – zwecks Tourismusförderung – seit 1849 gegeben. Auch der Turmbau selbst, der vor allem dank Spenden aus den Niederlanden gebaut werden konnte, sollte den Fremdenverkehr beleben.

Mäzenin des Wilhelmsturms

Mit einer großen Geldgeberin für den Bau des Turmes auf dem Schlossberg hat sich Dr. Hartmut Heinemann aus Wiesbaden beschäftigt. Sein Vortrag stand unter dem Motto „Prinzessin Marianne der Niederlande und das Turmprojekt: Mäzenin zwischen Familienstolz und Eheskandal“. Darin beschäftigte er sich nicht nur mit dem spannenden Lebenslauf der geschiedenen Prinzessin, sondern vor allem mit ihrer Verbindung zum Dillenburger Turmbau, den sie zu weit über 50 Prozent finanzierte.

Architektur des Wilhelmsturms

Ein Blick von der Empore in den Stadtverordentensitzungssaal mit den Besuchern der Tagung.
Rund 70 Teilnehmer und Referenten folgten der Einladung der Oranienstadt Dillenburg und nahmen an der Wissenschaftlichen Tagung im Rathaus teil (Foto: Kilian Scharf)

Die erste Sektion schloss Dr. Wolfgang Alberth (Ohmden) mit seinen Ausführungen zu „Der Dillenburger Wilhelmsturm im Spiegel des Historismus“ ab. Er widmete sich zunächst der Architektur des Denkmals, die sich frei an spätgotische Turmbauten anlehne, bevor er schließlich den 1897 entstandenen Gemäldezyklus zu Wilhelm von Oranien im „Gedächtnissaal“ des Turms kunsthistorisch analysierte.

Nationales Symbol der Niederlande

„Icon of Freedom, Peace und Prosperty. The reception of William of Orange in the Netherlands“ – Professor Lotte Jensen (Nijmegen) ging der Frage nach, wie Wilhelm von Oranien nach 1800 zu einem nationalen Symbol der Niederlande werden konnte und untermauerte diese Entwicklung mit zahlreichen Beispielen aus der Literatur- und Kulturgeschichte.

Ikonografie

Aus Kassel war Dr. Malena Rotter angereist. In ihrem Vortrag widmete sie sich der „Ikonografie Wilhelms von Oranien“. Dabei behandelte sie unter anderem das berühmte Portrait des Anthonis Mor von 1555, das den Schweiger als Militär darstellt und später zu seinem „Signature Image“ wurde.

Neues Licht auf den Wilhelmsturm

In Chemitz ist Dr. Andreas Martin zuhause. Er hatte einen Vortrag zum Thema „Das Denkmal mit Aussicht als vaterländisches Bildungserlebnis“ ausgearbeitet. Die von ihm aufgezeigte Entstehung sächsischer Aussichtstürme seit etwa 1800 warf neues Licht auf den Wilhelmsturm, der nämlich durchaus auch als Aussichtsturm konzipiert worden war – wenngleich Dr. Martin diesen wegen seines Denkmalcharakters als Sonderfall ansprach.

Oranierdenkmäler der Niederlande

Noch einmal in das angrenzende, westliche Nachbarland ging es mit Professor Raingard Esser aus Groningen. Sie hatte die „Oranierdenkmäler in den Niederlanden unter besonderer Berücksichtigung des Schweigers“ für ihren Vortrag betrachtet und untersuchte vor allem Grabmäler verschiedener oranischer Familienzweige sowie den späteren Umgang mit ihnen.

Wiesbadener Denkmal

Aus Wiesbaden kam Dr. Peter Quadflieg, der „das Wiesbadener Wilhelm-von-Oranien-Denkmal von 1908“ vorstellte. Die Statue, ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II., habe vor ihrer Aufstellung im Mai 1908 einigen Diskussionsstoff geboten – vor allem wegen des Aufstellungsortes am zentralen Platz vor der Marktkirche. Dr. Quadflieg konstatierte zudem die nationale Vereinnahmung des Schweigers bei den Einweihungsfeierlichkeiten.

Wilhelmsturm als Museum

Mit „Der Wilhelmsturm als Museum: „Von den historischen Sammlungen zum oranien-nassauischen Museum“ eröffnete Dr. Daniel Groth (Dillenburg) den letzten Themenblock. Von der 1882 eingerichteten Sammlung mit ca. 1.200 Objekten unterschiedlichster Art habe sich die Ausstellung erst in den 1990er Jahren zu einem Museum entwickelt, das ein stringentes didaktisches Konzept verfolgt. Diese Entwicklung illustrierte Dr. Groth unter anderem mit historischen Fotografien aus dem Turm.

Luftkurort Dillenburg

Mit „Geschichtstourismus und Wilhelmsturm vor dem Ersten Weltkrieg“ hatte sich Professor Angela Schwarz aus Siegen auseinandergesetzt. Anhand von Reiseführern, Postkarten und Gästebüchern machte Prof. Schwarz deutlich, dass der Wilhelmsturm zur Bewerbung des „Luftkurorts“ Dillenburg als Reiseziel genutzt und tatsächlich von zahlreichen Touristen unterschiedlicher Herkunft aufgesucht wurde.

400. Geburtstag in schwierigen Zeiten

Den zweitägigen Vortragsreigen im Dillenburger Rathaus schloss Dr. Katherine Lukat (Wiesbaden) mit dem Thema „Wilhelm von Oranien im Nationalsozialismus: Die Oranierfeiern von 1933 in Wiesbaden und Dillenburg“ ab. Der 400. Geburtstag von Wilhelm von Oranien, der 1933 gefeiert werden sollte, fiel in eine politisch schwierige Zeit. Die Referentin berichtete über die Planungen sowie deren politische Rahmenbedingungen. Mit viel NS-Propaganda habe das Fest dann im August 1933 stattgefunden. Wie der Nationalsozialismus mit seiner völkischen Betrachtungsweise Wilhelm den „Schweiger“ gesehen hat, erläuterte Lukat ebenfalls: Man feierte ihn als Rebell, großen Staatsmann und Feldherrn – alles Eigenschaften, die auch Adolf Hitler zugeschrieben wurden.

Text: Kilian Scharf